Tendenzen einer Dekonstruktion klischeebehafteter Lieblichkeit in Ulrike Rosenbachs „Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin“

Bestimmte Motive der westlichen Kunstgeschichte entwickeln sich mittels tradierter Überlieferung in ihrer bildlichen Darstellung zu einem obligatorischen kulturhistorischen Moment. Dabei sind es im Besonderen die Figuren der Mythologie, also seien es die der religiösen oder aber auch der literarischen Mythologie der Antike, welche sich in ihrer Kontinuität zu einem Kanon diverser Themenbereiche der Liebe in der Geschichte der Kunst etablieren konnten und somit gleichzeitig innerhalb einer bestimmten, zumeist patriarchalischen Machstruktur ihren Platz – und das auch heute noch – behaupten. Diese Macht- oder auch Denkstrukturen, die sich kulturhistorisch über die Jahrhunderte verfestigt haben, unterfüttern Bilder und Darstellungen mit ihren Ideenlehren, wobei diese nicht immer nur zu positiven Symbolbildern der Liebe oder Lieblichkeit entwickelt wurden, sondern ebenfalls zu klischierten Abbildungen bestimmter Charakteristika führten, welche als Identifikationsbilder von Liebe oder aber auch Lieblichkeit in die Gesellschaft eingeschrieben wurden.[1]

Abb. 1: Ulrike Rosenbach, Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin, 1975, 10:46 Min., PAL, schwarz-weiß,
Ton, hier: Fotocollage einer Aufführung von 1985, © Ulrike Rosenbach [28.02.2019].

Wie die Forschung in den letzten Jahrzenten aufgezeigt hat, können im Besonderen in Bezug auf die Umbruchzeit im Umfeld der 68er-Bewegungen in vielen Werken westlicher Kunstschaffender – und dabei im Besonderen in Werken von Künstlerinnen – Veränderungen beobachtet werden, die sich der kritischen Nachfrage an diese herrschenden Normen anschließen und die angesprochenen Identifikationsbilder im gesellschaftlichen Diskurs neu verhandeln.[2]

Abb. 2: Ulrike Rosenbach als Amazone
mit Bogen, „Glauben sie nicht, dass ich
eine Amazone bin, 1975, übernommen
aus: Reckitt, Helena. (Hrsg.). (2005).
Kunst und Feminismus. Berlin:
Phaidon.
Wie aber gehen Künstlerinnen und Künstler in dieser historischen Umbruchszeit mit dem in der Gesellschaft etablierten, bereits vorhandenen Bildrepertoire um? Um sich dieser Frage, mit Blick auf Ausrichtung des Umgangs zu nähern, ob nun affirmative Aneignung oder Umnutzung der Inhalte und Symboliken, wie auch die radikaleren Formen eines destruktiveren Zugangs, soll im Folgenden auch der strategische künstlerische Ansatz untersucht werden.

Durch das institutionelle Aufkommen künstlerischer Arbeiten der feministischen Avantgarde, Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre, lassen sich spannende Perspektivwechsel in der Kunst verorten, die die typisierte Rolle der Frau aus weiblicher Sicht untersuchen. Nicht nur in den damals vorhandenen popkulturellen Themen und der trivialen zeitgenössischen Alltagskultur oder der Werbung wurden die KünstlerInnen dabei an ideologisch aufgeladenem Bildmaterial fündig. Auch mit dem traditionellen Rückgriff auf den kunsthistorischen Kanon finden sich Tendenzen in Werken, die die damit einhergehende Symbolsprache analysieren, wie auch teilweise dekonstruieren.[3]

Wie genau aber gehen Künstlerinnen in dieser historischen Umbruchszeit mit dem in der Gesellschaft etablierten, bereits vorhandenen Bildrepertoire um? Werden die Identifikationsbilder lediglich radikal negiert oder lassen sich alternative Identitätsmodelle aus diesen weiterentwickeln? Um sich diesen Fragen, wie auch der des Grades von Dekonstruktion kanonisierter Darstellungen anzunehmen, wird im Folgenden eine Arbeit Ulrike Rosenbachs herangezogen. Dabei soll weiterhin untersucht werden, ob sich die Künstlerin über eine affirmative Aneignung, der Umnutzung der Inhalte und Symboliken oder radikaleren Formen eines destruktiveren Zugangs der Problematik nähert. Um diese strategische Komponente des künstlerischen Ansatzes genauer zu betrachten soll abschließend der Vergleich zu einer Arbeit Valie EXPORTs gezogen werden.

In ihrer Video-Live Performance Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin (Abb. 1), welche erstmalig im Oktober 1975 auf der 9. Biennale des Jeunes[4] in Paris aufgeführt wurde, betrat Ulrike Rosenbach in einem in weiß gehaltenen, eng an dem Körper liegenden Kostüm die Bühne. In ihren Händen hielt sie Pfeil und Bogen, das Kriegsinstrument und Attribut der Amazonen.[5] (Abb. 2) Ihr gegenüber stand eine kreisförmige Schießscheibe, an der ein Ausschnitt einer Reproduktion des berühmten Madonnenbildes Madonna im Rosenhag (Abb. 3) von Stefan Lochner befestigt war. Das mittelalterliche Gemälde – es wird um etwa 1440-1442 datiert – welches sich zu dieser Zeit, wie auch heute noch in der Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums in Köln befindet, war der damals im Rheinland agierenden Rosenbach mit Sicherheit zugänglich und somit auch bewusst von ihr gewählt worden.[6]

                
Abb. 4: Zielscheibenobjekt 1975, übernommen
aus Rosenbach, Ulrike: Videokunst, Köln 1982,
S. 5, © Ulrike Rosenbach.
Abb. 3: Stefan Lochner (Hagnau (Bodensee)
um 1400/1410 – 1451 Köln): Die Muttergottes
in der Rosenlaube, um 1440 – 1442, Eichenholz,
50,5 x 40 cm. Erworben 1848 als Vermächtnis
des Herrn F. J. von Herwegh. Inv. Nr. WRM
0067. Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln.

Der Ausschnitt der Reproduktion, die sich in der Mitte der Zielscheibe befand, umfasste lediglich den Mittelgrund des Bildes. Gott, wie auch der Heilige Geist, die sich im Original in der oberen Bildhälfte wiederfinden lassen, wurden an- bzw. abgeschnitten. Das Madonnenbildnis mit dem Christuskind bedeckt die Scheibe somit nahezu in Gänze. Rosenbach stellte sich in einem geringen Abstand vor die Zielscheibe, zielte mit ihrem gespannten, recht großen Bogen, und begann dann in einer kurzen Abfolge nacheinander 15 Pfeile in Richtung des Gesichts der Madonna zu schießen. Die ganze Aktion dauerte ca. 10 Minuten. Auf einigen Videostandbildern, wie auch auf dem Zielscheibenobjekt selbst ist deutlich zu sehen, dass die Pfeile bewusst auf das Gesicht der Madonnenfigur gezielt und geschossen wurden. (Abb. 4) Der kleine Jesusknabe auf dem Schoß der Gottesmutter wurde ebenfalls durch einige Pfeile getroffen, wobei aus heutiger Sicht nicht mehr auszumachen ist, ob dies mit Absicht geschah oder ein eventueller Fehlschuss war. Rosenbach, die keine ausgebildete Sportschützin war, nimmt das wohl doch unabsichtliche Scheitern gleichwohl in Kauf.

Abb. 5: Videostandbild „Glauben sie nicht, dass ich eine
Amazone bin“, übernommen aus Rosenbach, Ulrike:
Videokunst, Köln 1982, S. 6, © Ulrike Rosenbach.  
        
 
Gänzlich unberührt blieben Gottvater und Heiliger Geist, die im kleinformatigeren Original über der Madonna in einem von Engeln umgebenen Glorienschein um die Hauptfigur der Madonna mit ihrem Kind schweben. Es ist anzunehmen, dass Rosenbach ihre Aggression demnach alleinig auf das Madonnengesicht konzentrierte, denn auch der Körper der Maria wurde nicht als Ziel erfasst und beschossen.[7] Doch nicht nur das Marienbildnis war Ziel Rosenbachs. Sie nutzte in ihrer Performance die technologische Komponente eines Closed-Circuit-Video-Systems.[8] Während der von der Künstlerin ausgeführten Aktion zeichneten zwei aufgestellte Kameras die Performance aus unterschiedlichen Perspektiven auf. Zusätzlich wurde das Gesicht der Madonna, mittels einer positionierten Kamera auf einem im Raum aufgestellten Videomonitor übertragen, wo es mit dem gleichzeitig abgefilmten Gesicht der Künstlerin überblendet wurde. (Abb.5)
Rosenbach als eine solche kostümiert, könnte somit als Identifikationsbild der wütenden Amazone wahrgenommen werden, die ihre Aggression auf das Madonnenbildnis und damit auf die Lieblichkeit zu konzentrieren versuchte. Da aber im Monitor Rosenbachs Gesicht, mit dem der Madonna überblendet wurde, sie also mit ihr zusammen im Bild zu einer Person verschmolz, entsteht eine komplexere Situation, in der beide Abbilder miteinander agieren und eine dritte Akteurin oder Beteiligte hinzugezogen wird. Die Künstlerin selbst.[9]

Wir begegnen in dieser Performance demnach drei miteinander agierenden Positionen. Zum einen ist es das Sinnbild der Maria, das in der abendländischen Kunst, als symbolisches Frauenabbild mit charakteristischen Zügen wie Zärtlichkeit, Lieblichkeit, Selbstaufopferung und mütterlicher Zuneigung beschrieben wird. Das zweite traditionelle Symbolbild der Frau ist das der Amazone, die durch ein prägnantes Selbstbewusstsein, Stärke und auch Aggressivität in Erscheinung tritt. Diesen beiden diametral gegenübergestellten weiblichen Klischees wird das autobiografische Moment, das Gesicht Rosenbachs über die Gesichtsprojektion auf dem Monitor zwischengeschaltet und lässt alle drei miteinander verschmelzen

Wie Rosenbach später selbst zu dieser Arbeit kommentierte: „Indem die Pfeile das Bild treffen, treffen sie auch mich.“[10]

Geht es Rosenbach aber darum, ein radikaleres feministisches Bild zu zeichnen, welches sich in der aggressiven Zerstörung durch die Gewalttat des Beschießens und dem damit einhergehenden Akt der vermeintlichen Befreiung aus dem symbolischen „Bildstatus der Frau“ äußert, so wie es Silvia Eiblmayr zu erkennen meint?[11]

Eiblmayr spricht bei Rosenbachs Performance von einer „[…] Reflexion auf die spezifische Dialektik zwischen Frau und Bild […], in welcher der Frau ein Status als Bild zukommt.“[12] Gleichzeitig zeige sich aber auch, dass es der Frau nicht wirklich möglich ist, das Bild und damit den Status vollständig zu zerstören und aufzulösen. Der vermeintliche befreiende Akt stößt auch in Ulrike Rosenbachs Werk an eine Grenze, da sich die Aggression gegen das Bild sich schließlich auch gegen die Künstlerin selbst wende.[13]

Der Gedanke des „Status als Bild“ kann somit vielleicht nicht absolut ausgeschlossen werden, doch ist es in Frage zu stellen, dass es Ulrike Rosenbach nicht ausschließlich in Betracht gezogen hat, diesen zu dekonstruieren, um sich aus dieser symbolischen Ordnung zu befreien.[14] Vielmehr lässt die Arbeit auch erkennen, dass die Künstlerin nach den hinter den Bildern stehenden Ideologien fragt, die innerhalb der Gesellschaft mit den Bildern verknüpft werden und von ihr reflexiv verarbeitet werden.

So kann man ihren eigenen Aussagen zu der Arbeit entnehmen, dass sie sich bewusst mit den kulturhistorischen Klischees der Frau, welche über rhetorische oder visuelle Bilder übermittelt wurden, in dieser Schaffensphase befassen wollte.

„[...] etwa um 1973, habe ich mich auf das Bild der Frau im Kulturkontext konzentriert. Ich fing an mit Klischees und Typisierungen, die über Frauen reichlich vorhanden sind, zu arbeiten [...].“[15]

Den Bildern, der Rosenhagmadonna, wie auch der Amazone, kann damit ein eher „symbolischer Wert“ im Zusammenhang mit der Performance zugeordnet werden, der wie Iris Gütler konstatiert, über die ästhetische Oberfläche dieser, gesellschaftlich eingeschriebene Ideen transportiert.[16]

In Rosenbachs Amazonenarbeit sticht damit keine konkrete Negierung in den Vordergrund, sondern möglicherweise eher ein Aufzeigen von einem Zusammenschluss, einem Verschmelzen konträrer Ansichten, die auf eine deutlich vielförmigere und reichere Identität der Frau hinweisen und über die vereinfachten Klischees hinausreichen.

Anfangs wurde die Frage gestellt, in wie fern radikale und destruktive Umgangsformen mit tradiertem Bildmaterial von KünstlerInnen in dieser Zeit Verwendung fanden und ob es auch andere Strategien zu finden gibt, die einen subtileren Weg einschlagen. In einem Vergleich zu Arbeiten einer zeitgenössischen Künstlerkollegin Rosenbachs lässt sich die Performance von Rosenbachs Amazone vielleicht noch einmal deutlicher unter den Punkten der Maskerade und Identifikation betrachten.

Abb. 6: Valie EXPORT, Geburtenmadonna, 1976,
Chromogener Farbabzug auf Schaumstoffkern-
platte, © Oberösterreichisches Landesmuseum 
[28.02.2019].

Mit künstlerischen Arbeiten von Valie EXPORT finden sich Beispiele, die relativ nah, örtlich, wie auch zeitlich an Rosenbach anknüpfen. Wie auch andere Künstlerinnen in den 1970er nutzte EXPORT in ihren Werken immer wieder die Inszenierung des eigenen Körpers oder den Körper anderer Frauen unter der Prämisse und Einbindung bestimmter, typischer und auch tradierter weiblicher Attribute. Der ironische Charakter im Umgang mit klischeehaften Rollenbildern der Frau, der den Werken oftmals unterlag, sollte, wie Anja Osswald bemerkte, eine Strategie der Maskerade und Entlarvung sein, die patriarchalische gesellschaftliche Kontexte dekonstruieren würde.[17]

Innerhalb einer fotografischen Serie hatte sich EXPORT verschiedenen Darstellungen der Kunsthistorie zugewandt. Unter anderem auch einer klassischen Madonnendarstellung: Die fotografische Arbeit Geburtenmadonna (Abb. 6) ist 1976 entstanden.[18]

In dieser Arbeit ist es nicht EXPORT selbst, die in der Pose der Madonna der Pietà[19] Michelangelos gezeigt wird. Ein Modell bzw. eine Schauspielerin übernimmt den Part der Maria. Auf der Fotocollage ist die zeitgenössische Madonna der ursprünglichen Sitzgruppe vorangestellt. Sie überdeckt sie dabei, leicht in den Vordergrund gesetzt, nahezu vollständig. Die Position und die Haltung des Körpers und der Extremitäten werden eins zu eins von der Figurengruppe kopiert. Der von Maria gehaltene Körper Christi ist in der Fotomontage jedoch nicht übernommen.

In Gegenüberstellung der ursprünglichen Beweinung des Todes setzt EXPORT ihre Madonna, die eine zeitgenössische, moderne Hausfrau darstellen soll, auf eine Waschmaschine aus der nasse Wäsche heraushängt und nennt ihr Werk konterkarierend „Die Geburtenmadonna“. Die Gesten und Gesichtsausdrücke des klassischen Werks bleiben der Madonna auch bei EXPORT angehaftet, drehen die Bedeutung der Beweinung jedoch um. Es ist nicht der Tod Christi, welcher beweint wird, sondern die Situation der klischeetypischen hausfraulichen Tätigkeit des Wäschewaschens, die Geburt der Wäsche, die gleichfalls schmerzhaft und auch scherzhaft erlebt wird. Valie EXPORT bestückt ihr Modell also mit einem Alltagsgegenstand, der in der Gesellschaft als ein eindeutiges Frauenutensil gilt. Das durch die patriarchal geprägten Strukturen in der Form von Zuweisung gewisser Objekte, also die Sicht der Ideologie, wird hier thematisiert und auf eine ironische Weise künstlerisch gekontert.

Wenn diese Arbeit EXPORTs nun der Amazonenperformance von Ulrike Rosenbach gegenüberstellt wird, lassen sich hier signifikante Unterschiede in der strategischen Herangehensweise ausmachen. Die „Geburtenmadonna“ besticht dabei durch die Aneignung der äußerlichen Charakteristika des Ursprungswerks und dem übertragenden Klischeebild in die moderne Zeit. Das Rollenbild wird als Spiegelbild genutzt, um Dasselbige durch Überspitzung ins Lächerliche überführen zu können. Die Maskerade, dekonstruiert das Klischee, prangert den Zustand an und unterwandert die Norm dadurch im gesellschaftlichen Kontext einschneidend und distanziert sich dazu.[20] Osswald sieht in Bezug auf diese entlarvende Strategie der Maskerade, und da würde ich mich ihr anschließen, jedoch eine Problematik. Denn wie sie auch über andere KünstlerInnen schreibt, die sich dieser Strategie bedienen, bietet auch EXPORT keine eigene Alternative an.[21] Dem weiblichen Klischeebild wird in keiner Weise mit einer eigenen weiblichen Sicht gegenübergetreten.

Die Arbeit Ulrike Rosenbachs hingegen schließt die Lücke diesbezüglich. Meike Rotermund umschreibt dies mit einem Plädoyer Rosenbachs für ein „neues Weiblichkeitsverständnis, das keine Klischeebildung zulasse und in dem das, was traditionell als gegensätzlich angesehen werde, zusammenfließen und in einem Individuum vereinigt werden könne.“[22] Entgegen der alleinigen Maskerade EXPORTs kombiniert Rosenbach somit die gegenübergestellten Positionen der Klischees mit ihrer eigenen Person zu einem alternierenden Hybrid des Weiblichen.

Obwohl beide Arbeiten auf historische Darstellungen rekurrieren unterscheiden sie sich deutlich in Herangehensweise und ebenfalls in der inhaltlichen Aussage. Valie EXPORT zeigt ihre Unzufriedenheit mit dem Abbild der Frau in einem radikalen Umgang, der in einem spannenden Kontrast aus Aneignung, Ablehnung und Bestreben nach Loslösen von der Denkstruktur, der Dekonstruktion mündet.

Rosenbach geht ebenfalls subversiv vor, auch wenn es weniger radikal erscheint als bei Valie EXPORT. Es entsteht der Eindruck, dass eine Form von Identifikation mit den tradierten Klischeefiguren stattfinden konnte. Das Klischeebild wurde nicht in Gänze dekonstruiert, sondern offeriert die Möglichkeit für eine Reflexion und Selbstfindung der Künstlerin. Durch die Verbindung zweier weiblicher Klischeebilder, die in der Überblendung mit einer dritten, der Künstlerin selbst, miteinander verschmelzen, unterwandert Rosenbach die eingeschriebenen Ideologien und Machtstrukturen.


Andree Höppe


[1] Zur Konstruktion und symbolischer Fähigkeit des Ikonischen: Bisanz 2010, S. 49 -62.

[2] Die angesprochene diskursive Auseinandersetzung von Künstlerinnen mit der Problematik der Identifikation als Frau wird besonders in der Folge der 1970er Jahre von eben jenen in den Fokus gerückt. Siehe hierzu u. a.: Schor 2016. Ebenfalls auf theoretischer Ebene zur geschlechtlichen Ordnung und Identifikation: Butler 1991.

[3] Zur interessanten Vermischung von Trivial- und tradierter Hochkultur (z.B. die Venusgestalt): ANISS 1989.

[4] http://archives.biennaledeparis.org/fr/1975/ , zuletzt abgerufen am 20.02.2019.

[5] Zur Ikonographie und der Entwicklung des Mythos Der Amazone siehe: Muth 2008, S. 329- 412; wie auch Sturm 2017.

[6] Wie Rotermund passend in einer Fußnote bemerkt ist es „[Z]zudem [ist es] ein Werk eines rheinischen Künstlers, auf das sie sich in dieser Aktion bezieht. Mit dieser Wahl scheint wiederum eine Bezogenheit auf die eigene Identität verknüpft zu sein.“ In: Rotermund 2012, S. 71 (Fußnote 215).

[7] Vgl. ebd. S. 70. Nach eigenen Aussagen in Interviews ging es Rosenbach nur um die weibliche Figur der Darstellung, womit davon auszugehen ist, dass der Beschuss der Jesusfigur unabsichtlich geschah: Vgl. dazu ebd. S. 430.

[8] Zur Begriffserklärung u. a.: Kacunko 200, S. 77-88.

[9] Vgl. dazu: Gütler 2005, S. 14-15.

[10] Rosenbach 1982, S. 1.

[11] Eiblmayr 1989.

[12] Ebd. S. 352.

[13] Ebd.

[14] Vgl. Gütler 2005, S. 16.

[15] Rosenbach 1982, S. 131.

[16] Gütler 2005, S. 17.

[17] Osswald 2003.

[18] Hierzu u. a.: Mueller 2002, S. 126.

[19] Michelangelo Buonarroti, Pietà, Marmor, 1498-1500, Petersdom, Vatikan.

[20] Vgl. Gütler 2005, S. 21.

[21] Osswald 2003, S. 217.

[22] Rotermund 2012, S. 72, Vgl. auch Rosenbach 1982, S. 5.


Literatur:

Bisanz, Elize: Die Überwindung des Ikonischen. Kulturwissenschaftliche Perspektiven der Bildwissenschaft, Bielefeld 2010.

Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt am Main 1991 [Erstausgabe: Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity, New York 1990].

Eiblmayr, Silvia: Gewalt am Bild – Gewalt im Bild. Zur Inszenierung des weiblichen Körpers in der Kunst des 20. Jahrhunderts, in: Lindner, Ines; Sigrid, Schade; Silke, Wenk; Werner, Gabriele (Hgg.): Blick-Wechsel. Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit in Kunst und Kunstgeschichte, Berlin 1989, S. 337 – 357.

Gütler, Iris Julia: Strategien der Identitätssuche in den Performances von Ulrike Rosenbach, Wien 2005 [Onlinepublikation, Diplomarbeit] / Saarbrücken 2009.

Kacunko, Slavko: Closed Circuit Videoinstallationen. Ein Leitfaden zur Geschichte und Theorie der Medienkunst mit Bausteinen eines Künstlerlexikons, Berlin 2005.

Mueller, Roswitha: Valie Export. Wien 2002.

Muth, Susanne: Gewalt im Bild. Das Phänomen der medialen Gewalt im Athen des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr., Band I. Berlin und New York 2008.

Osswald, Anja: Sexy Lies in Videotapes. Künstlerische Selbstinszenierungen im Video um 1970 bei Bruce Nauman, Vito Acconci, Joan Jonas; Berlin 2003.

Rosenbach, Ulrike: Videokunst, Foto, Aktion, Performance, feministische Kunst, Köln 1982.

Rotermund, Meike: Metamorphosen in inneren Räumen. Video- und Performancearbeiten der Künstlerin Ulrike Rosenbach, Göttingen 2012.

Schor, Gabriele (Hg.): Feministische Avantgarde. Kunst der 1970er-Jahre aus der SAMMLUNG VERBUND, Wien., München 2016 (erweiterte Neuauflage).

Sturm, Robert: Der Topos der Amazone in postantiken Bildwerken, Berlin 2017.